Frankfurter Rundschau v. 28.01.2006,
S.36
Domäne Oberfeld wird Lernbauernhof
Auf dem zukünftigen Ökohof in Darmstadt können Kinder
erfahren, wo Fleisch und Gemüse herkommen / Auch Behindertenwerkstatt
geplant
Der letzte Bauernhof im Stadtgebiet
bleibt erhalten: Das Land Hessen wird der Initiative Domäne Oberfeld die alte
Hofmeierei übergeben. Unklar ist nur noch, zu welchem Preis.
Der jetzige Inhaber gibt seinen Landwirtschaftsbetrieb zum 1. Juli
auf.
Darmstadt · "Kinder und Erwachsene kennen kaum einheimische
Gemüsesorten und sehen keinen Zusammenhang mehr zwischen Kuhstall,
Steak und Tiertransporten", heißt es in der Projektskizze
der im Jahr 2003 gegründeten Initiative mit inzwischen 120
Mitgliedern. Das soll sich ändern: Der letzte Bauernhof im
Stadtgebiet, die ehemals großherzogliche Domäne Oberfeld,
soll zum 1. Juli, wenn der jetzige Inhaber seinen Landwirtschaftsbetrieb
aufgelöst haben wird, in einen "Lernort" umfunktioniert
werden.
Auf dem geplanten Ökohof mit Direktvermarktung in der wichtigen
Frischluftschneise in Darmstadts Osten, dem Oberfeld, können
sich Stadtkinder dann anschauen, woher die Milch kommt, wie man
Käse macht oder Gemüse anbaut.
"Dass wir die Domäne kriegen, ist sicher, nur wie wir sie
kriegen noch nicht", sagt Arnulf Rosenstock. Der Leiter des
Darmstädter Forstamts ist Vorstand der Initiative. Derzeit verhandelt
sie noch mit der Hessischen Landgesellschaft (HLG) über den
Preis des denkmalgeschützten Gebäude-Ensembles mit 140
Hektar großem Grundstück. Die Gutachter des Hessischen
Baumanagements schätzten den Wert auf über eine Million
Euro, diese Summe verlangt die HLG. Die Initiative will den Preis
auf unter eine Million runterhandeln. Die Gutachter hätten zum
Vergleich ein Gewerbegebiet im Osten der Stadt herangezogen, was
sich nicht mit einem Bauernhof vergleichen lasse.
100 000 Euro Startkapital
Die Initiative hat eine Stiftung gegründet, die bereits ein
Startkapital von 100 000 Euro zusammen hat. Den Rest will sie über
gemeinnützige Spenden und Darlehen hereinholen. Sie hat einen
Antrag auf Förderung bei der Software AG-Stiftung gestellt,
die unter anderem auch das Streuobstwiesenzentrum in Eberstadt
unterstützt. Preis hin oder her: "Der eigentliche Jubelschrei
lautet, der letze Bauernhof bleibt erhalten", sagt Rosenstock.
Denkmalschutz bedeute eine bestimmungsgemäße Nutzung – und
die Domäne unweit der Rosenhöhe ist seit ihrem Bau, 1893,
landwirtschaftlicher Betrieb. Rosenstock ist sich sicher, dass
das Land versucht hätte, die Domäne in eine andere Richtung
zu vermarkten – etwa als Restaurant. Eine Privatinitiative
habe sogar bereits geplant, auf dem bei Spaziergängern beliebten
Oberfeld einen Golfplatz zu bauen.
Anstatt dass in Zukunft Caddies über kurz geschnittenen Rasen
fahren, sollen dort bald wieder Kühe grasen. Ein Anblick,
den es auf dem Oberfeld schon lange nicht mehr gab, denn der jetzige
Besitzer, Eberhard Vierling, ließ den großen Stall
auf seinem Hof leer stehen und hatte sich auf den Anbau von Nutzpflanzen
spezialisiert. "Ein Ökobetrieb braucht Kühe",
sagt Rosenstock – wegen des Verzichts auf mineralischen Dünger. "Die
Rinderhaltung wird das Erscheinungsbild des Oberfelds bereichern
und die Vielgestaltigkeit der Äcker begünstigen."
Durch eine langjährige einseitige Nutzung seien die Böden überdüngt
und der Meiereibach, der wieder ans Tageslicht kommen soll, sei
mit Nitraten belastet. Die Nutzung als Ökohof werde die Böden
und das Wasser wieder säubern. Der Meiereibach, so Rosenstock,
könne schon bald den Badesee Großer Woog speisen, der
im Sommer auf jede Frischwasserquelle angewiesen ist. Die Stadt
habe schon ein Klärwerk erwogen, dies sei nun nicht mehr nötig.
Zwischen 30 und 45 neue Arbeitsplätze könnten nach Einschätzung
Rosenstocks entstehen. Drei Landwirte sollen den Hof bewirtschaften,
darunter ein Schweizer Käser und ein Demeter-Vertreter. Produkte
aus eigener Erzeugung wie Milch, Käse, Fleisch, Backwaren
und Gemüse sollen verkauft werden. Neben dem Ökohof und
dem Lernort zieht als dritte selbstständig wirtschaftende
Abteilung der Verein Lebensgemeinschaft Christophorus ein. Dieser
unterhält mit der Heydenmühle in der Odenwald-Gemeinde
Otzberg bereits eine sozialtherapeutische Einrichtung. Frank Schuster
www.oberfeld-darmstadt.de


Frankfurter Rundschau v. 28.01.2006, S.36
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